Tabakanbau in Lorsch in Zeiten von Corona

Das Tabakprojekt bleibt tätig, auch in der Krise

Es gibt derzeit wohl niemanden und keine Initiative, die nicht von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen wäre. Auch das Lorscher Tabakprojekt muss jetzt umorganisieren. „Als wir mit dem Fermentieren der letzten Ernte im Januar begonnen haben, waren wir noch ganz unbesorgt“, so der Projektleiter Bernhard Stroick. Das war kurz vor Fastnacht (wie das in Lorsch heißt).

Tabak-Cheerleader?
„Die Frauen haben die Buschel aufgeschüttelt, als wären es Cheerleader-Pompons“, lacht er. Beim Fermentieren, muss der Tabak dreimal umgesetzt werden, um einen gleichmäßigen Fermentierungsprozess zu gewährleisten. Dabei muss der zu Bündeln gepackte Tabak „gelüftet“, also wie eine Art Blumenstrauß in die Hand genommen und aufgeschüttelt werden. „Wir waren mit der Verteilung von Hitze und auch Feuchtigkeit sehr zufrieden“, ist sich das Team einig. Nun wird der verarbeitungsfähige Tabak in die Manufaktur gebracht, um daraus die mittlerweile sehr beliebte und gut angesehene „Lorsa Brasil“ rollen zu lassen.

Ein ganz besonderes Tabakjahr
Doch das neue Tabakjahr steht vor der Tür. „Die Pandemie-Auflagen fordern nun ganz genaue Einsatzpläne“, beraten die Tabakpflanzer in der Gruppe. Nicht mehr als zwei Leute dürfen zusammen arbeiten, auch dann nur mit dem vorgegebenen 2 Meter-Abstand. Die Gruppe hat in diesem Jahr den Platz für das Frühbeet gewechselt, ist näher zum historischen Trockenschuppen gerückt. Dort wird nun am 28. März der vorgequollene Samen ausgebracht. Danach folgt das Wässern und Lüften des abgedeckten Beetes bis Mitte Mai. „Erst nach den Eisheiligen dürfen die Pflänzchen ins Freie“, weiß Annemarie Remeza, aus der Gruppe, die schon als Kind „im Douwagg“ war. Bis dahin können die anfallenden Arbeiten von Einzelnen oder auch Tandems ohne Probleme bewältigt werden. „Aber schade ist das schon“, bedauern es viele, nicht beim traditionellen Aussäen dabei sein zu können. Dieser Jahresauftakt – stets begleitet von heißem Kaffee und frischem Kuchen sowie der einen oder anderen Lorsa Brasil nach getaner Arbeit– ist stets sehr beliebt! Dieses Jahr fällt auch dieser Teil der Veranstaltung natürlich aus.

Kein Grund zur Panik!
Keine Option war es für die Gruppe, in diesem Jahr auf die Anzucht der Tabaksetzlinge zu verzichten. „Gerade jetzt brauchen die Leute Projekte, die sie verbinden!“ zeigt sich Gabi Dewald vom koordinierenden KULTour-Amt überzeugt. „Wir müssen das umstrukturieren und dann kriegen wir das schon hin! Und das Tabakprojekt zeigt jetzt, was wir auch mit unserem UNESCO-Antrag betonen: Dass gerade diese agrarische Kultur ungeheuer verbindenden Einfluss auf die Gemeinschaften hat, die damit befasst sind.“ In der WhatsApp–Gruppe und per Mail stehen die Lorscher Tabakpflanzer in regem Kontakt und in den Startlöchern. „Denkt daran: Es gibt ein Leben nach Corona!“ lautet hier die Devise der Tabakfans.

UNESCO Antrag Tabakkultur: Gespannte Ruhe
Noch warten die rührige Initiative und vier weitere Kommunen auf den Entscheid des Hessischen Ministeriums, ob der im Herbst 2019 eingereichte gemeinsamen UNESCO Antrag auf Eintrag als Immaterielles Welterbe für die Tabakkultur an die Bundesministerkonferenz weitergereicht wird. „Der Entscheid war für Mitte März angekündigt“, so Dewald. „Aber bei der derzeitigen Lage ist man natürlich auch im Ministerium mit der Bewältigung der Corona-Krise mehr als ausgelastet.“ Warum darüber noch so wenig nach außen und in die Presse gelangte? Andere Antragssteller haben schon aus diesem ersten Bewerbungsschritt große PR-Aktionen gemacht. „Naja“, lacht Dewald, „wir halten nichts davon, sich einen Mantel aus dem Fell eines Bären zu schneidern, den man noch nicht geschossen hat!“ Die Daumen dürfen also gedrückt bleiben.

Das Lorscher Tabakprojekt gibt es seit 2013. Jährlich baut die Gruppe etwa 1000 qm Tabak an und lässt 10 000 Zigarren fertigen.

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